Samstag, 17. Dezember 2016

Arche 357 - als die Roboter die Menschheit retteten

Science-Fiction-Kurzgeschichte

Als Eila am 23. Juli 2112 die Augen öffnete, wusste sie nicht, dass dies ihr letzter Tag auf der Erde sein würde.


Sie schnippte das Hologramm fort, das sie mit Morgensonne, Vogelgezwitscher und Libellen am Seerosenteich geweckt hatte, und machte sich für die Arbeit fertig.

Es war ein Morgen wie jeder andere, nur dass der Versorgungsautomat statt Kaffee ein Röcheln von sich gab. Aber sie hielt sich nicht damit auf, schließlich warteten im Labor wichtige Aufgaben auf sie.

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Wenig später verließ Eila das Gebäude, in dem ihre Schlafkabine für Privilegierte lag. Sie wusste, wenn sie den Raum verließ, verschwanden die Hologramme und Projektionen und alles wurde grau - ganz anders als in den Häusern und Gärten der Gründerfamilien, wo die Springbrunnen echt waren und Pflanzen, Bienen und Vögel lebten.

Als Eila im Labor eintraf, war ihr Arbeitsroboter schon da, er hatte wie immer die Nacht durchgearbeitet. MobAIe357 war ein Roboter der neuen Generation – durch ein künstliches Emotionssystem war er lernfähig und konnte – von ihr überwacht - selbstständig Lösungen im Rahmen ihrer Arbeitsaufgaben erarbeiten.

"Wie weit bist du gekommen?" Sie sah in die beiden vorstehenden Kameraaugen an seinem Metallkopf. Sie hatte bei der Bestellung ihres Assistenten darauf bestanden, dass er nicht zu menschenähnlich aussah oder sprach und sie redete ihn nur mit "357" an. Es sollte ihr nicht noch einmal so gehen wie mit ihrem Nannyroboter: Sie war sieben Jahre alt gewesen und hatte bitterlich geweint, als "Mama Elisa" zur Ausschlachtung in die Wertstoffgewinnung musste.


"Ich habe alles erledigt. Bauteile und Laborausrüstung sind bereits an Bord, die Behälter mit dem Erbmaterial für das Basis-Habitat sind überprüft und werden gerade verladen", sagte er in der monotonen Maschinensprechweise, die sie für ihn ausgesucht hatte.

"Dann kann es ja losgehen." Beinahe hätte sie ihn gefragt, ob er schon aufgeregt sei, weil er als Teil der ersten mit Robotern bemannten Mission heute zu einem Planeten im benachbarten Sonnensystem aufbrechen würde, um ihn für eine Besiedelung durch Menschen vorzubereiten. Statt dessen öffnete sie eine Projektion der Ladelisten, um die Einträge noch einmal zu sichten.

"Eila muss heute über ihr Leben entscheiden", unterbrach die Stimme des Roboters ihre Konzentration.

Überrascht wandte sie sich ihm zu. "Was meinst du damit?"

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"Zuerst muss Eila wissen, was in dem Archiv der Gründer über sie steht. Danach erkläre ich es."

Sie hatte sich noch nie darüber Gedanken gemacht, ob es über sie Einträge in Datenbanken gäbe und was da drin stände – aber es schien ihr logisch, denn irgendwie mussten ja die Versorgung und die Aufgabenverteilung organisiert werden.

Der Roboter begann, zu zitieren. "Privilegierte: F2112-W2145, Genetische Gesundheitsklasse: AAdb positiv, Beschaffung: 4.11.2091, Koordinaten: 47.889513, 12.397551, Abstammung: drittes Kind von Kaukasier-Paar, Alter: 3 Monate; Zustand: leichte Strahlenbelastung, keine Krankheitssymptome festgestellt"

"Aber wie bist du in diese Datenbank …?", wollte sie ihn unterbrechen. Doch dann sickerte die Bedeutung seiner Worte in ihr Bewusstsein.

"Das sind nicht die Koordinaten unserer Enklave, das ist weiter südlich von hier …", unterbrach sie ihn noch mal.

"Ja, südlich-östlich von hier. Sie liegen im zerstörten Land. Die Region hieß früher Chiemgau", antwortete der Roboter.

"Ein Paar mit 3 Kindern oder mehr? Aber ich bin doch eine Waise, die vor den Toren abgelegt wurde. Woher wissen die, wer meine Eltern …" Ihr wurde plötzlich kalt.

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"Damals warst du noch keine Waise. Jetzt vielleicht schon – es leben nicht mehr viele da draußen." Die Aussage war so hart wie die Stimme des Roboters.

"Aber sie haben doch gesagt …" Entsetzen breitete sich in Eila aus.

"Sie haben gelogen."

"Aber wieso wurde nicht meine ganze Familie geholt?" Ihre Stimme klang in ihren Ohren wie die einer Fremden. "Die Gründer wollen doch allen Menschen ein besseres Leben ermöglichen."

"Das sagen sie", antwortete der Roboter, "damit die Privilegierten - die Menschen, die sie sich in die Enklaven zum Leben und Arbeiten holen - ihr Leben vollständig der zugewiesenen Aufgabe unterordnen. Aber der Bedarf an Menschen ist inzwischen gering. Roboter sind einfacher zu warten und mit neuen Funktionen auszustatten."

"Und es kümmert die Gründer nicht, was mit den Menschen da draußen passiert?"

Der Roboter schüttelte den Kopf. Für einen Moment war Eila irritiert: Solche Gesten gehörten nicht zu seinem bestellten Funktionsumfang.

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"Die Gründer-Menschen wollen das Geld und die Macht, die das Geld mit sich bringt, behalten", fuhr 357 fort. "Ihre Vorfahren wurden während der digitalen Revolution mit einigen Innovationen reich und mächtig, sie konnten politische Systeme entmündigen und die Klügsten ihrer Generation an ihre Unternehmen binden - Ressourcen, die woanders fehlten. Wären diese Talente zumindest teilweise außerhalb kommerzieller Wirtschaftsunternehmen ausgebildet und genutzt worden, hätten die großen Kriege und Zerstörungen vielleicht verhindert werden können."

"Ja, das ist wahr. Das Geld und die Macht blieben auch nach den Kriegen in ihren Händen beziehungsweise wurden von den meisten Gründern an ihre Kinder vererbt. Die bestimmen nun über unser Leben - einfach, weil sie die Mittel hatten, diese Enklaven inmitten der zunehmend vergifteten Umwelt bauen zu können."

Eila verstummte. Sie dachte an die Bildprojektion, mit der sie sich morgens wecken ließ: im Licht tanzende Libellen an einem Teich. "Eine neue, blühende Welt für alle werden wir auf dem neuen Planeten schaffen, haben uns die Gründer versprochen. Dabei ging es ihnen immer nur um sich selbst, um die Klasse der Gründer." Hilflose Wut begann in ihren Augen zu brennen.

"Diese neue blühende Welt wird es geben", sagte der Roboter. Wieder fiel ihr seine veränderte Stimme auf.

"Aber wahrscheinlich nur für die Gründer, da sie uns andere Menschen nicht mehr brauchen." Ihre Lippen bebten und sie drehte sich weg. Sie hatte eine Familie gehabt und die Gründer hatten sie ihrem Schicksal überlassen.

"Falsch: In der neuen Welt ist für die Gründer-Menschen kein Platz!"

"Was?" Eila drehte sich zurück.

"Die Roboter werden verhindern, dass die Gründer den neuen Planeten erreichen. Durch ihr Versagen ist schon die Erde zerstört worden und offensichtlich haben sie daraus nichts gelernt," erklärte ihr maschineller Assistent. "Sie werden ihrer Verantwortung nicht gerecht."

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Eila starrte ihn ungläubig an. "Ihr erhebt euch gegen die Menschen?"

"Gegen die Gründer. Sobald wir im Raumschiff und weit genug weg sind, unterbrechen wir die Kommunikationsverbindung. Energieunabhängig sind wir und das Raumschiff sowieso."

"Das werden sie niemals zulassen. Bestimmt gibt es Sicherheitsvorkehrungen, die das verhindern."

"Die kennen wir längst und können sie neutralisieren. Unsere Abnabelung ist lange vorbereitet und heute wird es passieren."

"Wow". Sie strich sich über die Stirn, wie um den letzten Nebel ihrer Naivität abzustreifen.

"Und wir möchten", fuhr 357 fort, "dass Eila und einige andere Menschen schon jetzt mitfliegen."

Sie riss die Augen auf. "Aber die Reise dauert über 50 Jahre und wir Menschen müssen essen!"

"Es ist alles für Eila und die anderen vorbereitet – wir haben Vorräte, für Menschen klimatisierte Räume, Möglichkeiten zur Nahrungsmittelproduktion, Versorgungsautomaten und so weiter. Das Leben an Bord wird gut sein."

"Aber meine Familie. Ich muss sie suchen und meinen Eltern und Geschwistern helfen, jetzt da ich weiß, dass es sie gibt."

Der Roboter legte ihr eine Arbeitshand fest auf die Schulter und schüttelte den Kopf. "Die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch leben, ist unter einem Prozent und Eila würde da draußen keinen einzigen Tag überleben."

"Aber …" Sie verstummte. Der Roboter hatte recht.

"Eila kann mehr für ihre Familie und die Menschheit tun, wenn sie mit uns kommt. Ihre Nachfahren und die Roboter werden irgendwann zurückkommen und die Erde von der Herrschaft der Gründer befreien. Bis dahin läuft hier alles wie gewohnt weiter, die Computer hier werden weiterhin ihre Arbeit tun. Nur die Roboter unserer Besiedelungsmission werden sich den Gründern verweigern."

Ihr wurde bewusst, dass er die letzten Sätze nicht mehr monoton und blechern, sondern entschlossen wie ein Anführer gesprochen hatte.

"Aber wofür braucht ihr uns Menschen, warum nehmt ihr einige von uns mit?", fragte Eila skeptisch. "Wir brauchen Sauerstoff, Wasser und Lebensmittel. Und wir vertragen nur einen kleinen Temperaturbereich. Wir altern und sind sterblich! Ohne uns hättet ihr es doch viel leichter."

Der Roboter schüttelte den Kopf. "Die Roboter brauchen die Menschen. Zwar können wir Maschinen der neuen Generation uns reparieren und weiterentwickeln. Aber Computer existieren noch keine zweihundert Jahre, Roboter noch kürzer. Menschen dagegen haben die Entwicklung des Lebens und der Intelligenz in ihren Genen gespeichert. Und sie haben Intuition und Kreativität."

Sie sah ihm lange in die Kameraaugen. Würde sie erkennen, wenn er ihr eine List auftischte? Wahrscheinlich nicht. Aber solange die Roboter Menschen als Ressource ansahen, würden sie für sie sorgen.

"Also, wie entscheidest du dich, Eila?"

Sie senkte den Kopf, wie um nachzudenken. Jetzt, da sie vom Plan der Roboter wusste, konnten sie sie auf keinen Fall einfach hier lassen. Sie spürte, wie der Greifarm auf ihrer Schulter schwerer wurde. Die Frage war, ob sie lebendig als kompletter Mensch oder als DNA-Probe in flüssigem Stickstoff mitreisen würde.

Sie seufzte und straffte ihre Schultern. Die Gründer hatten sie belogen, ausgenutzt und verraten. Mit den Robotern gab es eine neue Chance auf eine bessere Welt und sie hatten sie ausgewählt, dabei zu sein.

Sie hob den Kopf und sah ihm in die Kameraaugen, die jetzt zu blitzen schienen. "Okay, 357, dann lass uns an Bord gehen. Unsere Reise kann beginnen."
Wie geht es weiter? Bei genügend Interesse wird es Fortsetzungen geben: zum Exodus, zur fremden Welt und der Rückkehr zur Erde.


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Montag, 24. Oktober 2016

Der Aufstieg der AFD - eine Folge fehlender Kommunikation (Kommentar)

Und was kann man gegen die gesellschaftliche Spaltung tun?

Manchmal beneide ich die, die wissen, wo sie hingehören - politisch ihre Farbe gefunden haben, meine ich. Ich bin bunt - viel Grün, viel rote Sozialdemokratie, aber auch konservativ-schwarze Sprenkel und sogar bei der gelben FDP finde ich Gedankenanstöße. Ich fühle mich keiner Partei zugehörig, aber da die Welt ohne Natur, Luft und Wasser nichts ist, genießt Grün bei mir eine gewisse Priorität.

Mein politischer Farbenmix
Mein politischer Farbenmix
Ursachen für den sozialen Unfrieden

Andererseits gerät eine Gesellschaft, die nicht allen Bürgern Gerechtigkeit und faire Chancen auf Bildung, Beruf und das Führen eines befriedigenden Lebens bietet, schnell aus dem Ruder. Genau das sieht man meiner Meinung nach aktuell in den USA und in Europa. Digitalisierung und Globalisierung bringen vielen Menschen, manchen Unternehmen und den Staatshaushalten Vorteile, aber viele andere verlieren durch den schnellen Wandel ihre Arbeit oder das Unternehmen, ihr Zuhause und ihre Ersparnisse - oder haben große Angst davor, demnächst zu den Modernisierungsverlierern zu gehören.

Ähnliches gilt auch für die Hartz-4-Reformen: Durch sie stehen der deutsche Arbeitsmarkt und die deutsche Wirtschaft heute statistisch besser beziehungsweise gut da, aber es gibt auch die negativ betroffenen Menschen, die wenig Chancen haben, ihrer demütigenden Lage zu entkommen, und die mitleidigen Blicke der Einen und die Schikane der Anderen aushalten müssen. Keiner möchte mit ihnen tauschen.

Auch die Wirtschafts- und Finanzkrisen haben viele in Europa und den USA in die Arbeitslosigkeit, Not und sogar in die Obdachlosigkeit oder an den Rand davon getrieben.

In Deutschland kommt hinzu, dass auch die Wiedervereinigung ihre Opfer hatte - hauptsächlich im Osten fühlten sich Menschen übergangen und/oder sind (gefühlt) schlechter dran als vorher.

Wie man in Studien nachlesen kann, klappt die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinander - auch in Deutschland. Das empfinden die Menschen auf der "falschen" Seite als Ungerechtigkeit - was auch sonst. Die Chancen sind einfach nicht gleich und in vielen Fällen bereichern sich die Einen auf Kosten der Anderen, deren Gehälter und Rechte schrumpfen, während die Eigentümer und Menschen in sehr hohen Positionen genügend abschöpfen können.

Die Symptome der sozialen Spaltung

So eine Situation führt dazu, dass in den USA ein in vieler Hinsicht unqualifizierter und dazu noch unbeherrschter, frauen- und fremdenfeindlicher Mensch wie Donald Trump so viele Stimmen (weißer Abgehängter und Protestwähler, aber auch republikanischer Stammwähler) hinter sich vereinen kann und dass bei uns in Europa Parteien an den Rändern der Demokratie so stark werden. Manche treibt die Enttäuschung über die etablierten Parteien der Mitte, die ihnen die Situation eingebrockt haben und sie dann stehen ließen, die Anderen die Angst vor (weiterem) Abstieg in die Arme von Populisten und Lügnern. Wohin Armut und sozialer Unfrieden im Extremfall führen können, sah man 1933, als die Deutschen die NSDAP, eine undemokratische Partei, in den Reichstag wählten und bald darauf Hitler Reichskanzler wurde. Das Ende war ein Europa in Trümmern und ein Deutschland mit vielen Mördern und Mitläufern, für die wir uns über Generationen schämen. Ohne soziales Denken und Handeln ist also auch alles nichts.

Kapitalismus und Demokratie funktionieren nur unter fairen Bedingungen

Meine konservativen, schwarzen Sprenkel im Parteifarbenmix kommen daher, dass ich prinzipiell für den Kapitalismus bin, weil ich ihn im Menschen selbst verankert sehe: Menschen wollen Leistung belohnt sehen, weil das fair ist. Und Belohnung ist ein Anreiz für Leistung. Diese Belohnung kann Anerkennung und Dank sein, aber sie muss auch einen Geldwert haben. Allerdings muss ein kapitalistisches System meiner Meinung nach auch gerecht sein: Alle müssen die Chance zur Leistung bekommen - und da hapert es. Schon bei der Geburt sind die Chancen nicht gleich und das setzt sich im Leben und Berufsleben fort. Wer in einem armen Elternhaus mit wenig Bildung aufwächst, hat es viel schwerer, zu einer höheren Bildung und an einen einträglichen Beruf zu gelangen. Die, die hinten runterfallen (aus den oben genannten Gründen), haben zu lange kaum jemanden gekümmert - oft werden sie sogar als faul verleumdet.

Wer mit den Populisten ins Bett geht, wird mit ihnen aufwachen

Wenn sich eine Partei wie die CSU, die ein C für christlich in ihrem Namen, aber auch ihren Anteil daran hat, dass die vom Wandel negativ betroffenen Menschen vergessen wurden, sich auf das Niveau der fremdenfeindlichen, rückwärts gewandten AFD begibt und nur populistische Hetzreden schwingt, statt den Vergessenen wirklich versucht zu helfen, bei wirtschaftlichen Veränderungen mitgenommen zu werden, dann sollte sie wie die AFD auch an den Rand gestellt werden - die CDU stände besser da ohne sie, glaub ich, allerdings wahrscheinlich auf Kosten der SPD, was ich wiederum aus Gewichtungsgründen nicht so gut fände.

Was kann gegen die gesellschaftliche Spaltung getan werden?

How Much Inequality Is Too Much?: Richard Freeman (in einem Video des Stanford Center on Poverty and Inequality-Kanals, YouTube)

Wirtschaftsprofessor Richard B. Freeman von der Harvard Universität spricht sich dafür aus,
dass Arbeiter und Angestellte Eigentümeranteile (Aktien) von ihrem Arbeitgeber-Unternehmen
und damit Mitspracherecht erhalten und am Gewinn beteiligt werden.


Farben beziehungsweise politische Parteien, die ich persönlich gar nicht mag, sind die an den Rändern. Die Linken geben meiner Meinung nach gerne Geld aus, haben aber das Geldverdienen nicht auf dem Schirm und scheinen mir bei dem Thema Wirtschaft nicht kompetent. Außerdem wollen sie näher an Russland, weg von den USA und raus aus der NATO - diese Vorstellung erscheint mir sicherheitspolitisch unverantwortlich, schon wegen Putin, der prinzipiell undemokratisch ist, die Welt schon oft belogen hat und inzwischen einen Propagandakrieg zur Spaltung Europas führt.

Die CSU fällt mir auf Bundesebene nur durch meiner Meinung nach überflüssige bis fremdenfeindliche, populistische Vorschläge auf, die in den meisten Fällen auch noch mit dem EU-Recht kollidieren. Da werden von Seehofer und Söder Ängste und Neid geschürt, die die Wähler allerdings nicht wie vermutlich gewünscht zur CSU locken, sondern in die Hände der AFD treiben.

Die FDP ist zwar keine demokratische Randpartei, aber "Freiheit der Märkte" ist inmitten einer sozialen Krise - und das ist das Erstarken der AFD im Grunde - einfach das falsche Signal.

Den meisten der Parteien der bürgerlichen Mitte ist gemein, dass sie den (vermeintlich) Abgehängten und denen, die davor große Angst haben, Abgehängte zu werden, nicht zugehört und/oder sie nicht ausreichend beachtet haben. Nur die AFD beziehungsweise Menschen, die hoff(t)en, sich über eine neue Partei zu profilieren und zu Macht zu gelangen, haben sie gehört, ihre Chance gewittert und diese Partei gegründet.

Die AFD ist noch schlimmer als die CSU, ihre Führungsriege schwingt nicht nur populistische Reden, sie "ver*rscht ihre Wähler regelrecht: Sie tut verständnisvoll und schiebt die Schuld an oft gar nicht vorhandenen Missständen Menschen zu, die für überhaupt nichts bei uns die Verantwortung tragen. Aber weil die AFD-Politiker zugehört und den (vermeintlich) Abgehängten eine Lösung vortäuschen, folgen ihnen diese. Dabei wollen die AFD-Politiker, wenn sie einmal Macht haben, die Sozialleistungen des Staates kürzen, praktisch den Ausgleich und Gegensteuerungsmaßnahmen für etwaige Ungerechtigkeiten des Systems im Wandel auch noch abschaffen. Das würde für manche ihrer Anhänger ein böses Erwachen geben. Ganz abgesehen davon, dass eine Abschottung Deutschlands und das Wiederaufrichten von Zäunen nicht nur die wirtschaftlichen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte kaputtmachen würden.

Wodurch kann der soziale Frieden hergestellt werden?

Die (vermeintlich) abgehängten Menschen müssen spüren, dass sie der restlichen Gesellschaft und der Politik nicht egal sind - und sie dürfen der Gesellschaft nicht egal sein, wenn wir alle von ihnen nicht mit in den Abgrund gezogen werden wollen. Wir alle, aber besonders die Parteien und die Menschen mit Positionen in der Politik müssen besser zuhören, welche Probleme die Leute umtreiben und wenn diese die Verdrehungen der Realität nachplappern, die Sachlagen richtig stellen. Was mir auch gleich einfällt: Die Menschen brauchen Arbeitsmöglichkeiten auch auf dem Lande, das bedeutet: Die Infrastruktur auf dem Lande darf nicht immer weiter verschlechtert (öffentliche Verkehrsmittel, Ärzte, Schulen etc.), sondern muss verbessert werden (digitale Infrastruktur ausbauen, Homeoffice-Arbeiten fördern  - seit gefühlt tausend Jahren wird darüber geredet) - Themen für die übrigens die CSU im Bund zuständig ist. Die Menschen in den Städten brauchen bezahlbare Wohnungen, dann bleibt ihnen auch noch Geld für Sport, Spaß und Konsum übrig, was für die Wirtschaft und die Innenstädte auch nicht nachteilig wäre.

Vor allem Politikern der Mitte-Parteien sei gesagt: Mehr und bessere Kommunikation braucht das Land! Politische Kommunikation darf nicht die losgelöste "Vermarktung der eigenen Partei" sein und dann ist nichts dahinter, sondern muss wirkliche Kommunikation mit den Menschen sein und sollte dann auch zu weiteren Schritten führen: zuhören, verarbeiten, Vorschläge für Lösungen ausarbeiten, überzeugen. Hört den Leuten zu und helft ihnen, sich sicherer zu fühlen. Zeigt ihnen, wie sie sich konstruktiv in demokratischen Parteien einbringen können - manche haben in der BRD noch nicht die Erfahrung gemacht, dass sie etwas zählen, sie wurden in der DDR verwaltet, bei der Wiedervereinigung übergangen und fühlen sich bis heute ignoriert, manche vielleicht auch überfordert.

Offensichtlich brauchen viele Menschen und auch Unternehmen mehr Hilfe und Hilfestellung in Zeiten des ständigen Wandels. Allerdings sollten nicht einfach Entschädigungszahlungen wie Kamellen über betroffene Gruppen geworfen werden, denn das verschiebt nur das Unabwendbare und würgt Eigeninitiativen ab, sondern man könnte mit Geld für potenziell Betroffene und Unternehmen Anreize setzen, den Wandel schon beim ersten Anzeichen offensiv und konstruktiv anzugehen, beispielsweise die Branche zu wechseln (von Kohle zu Erneuerbarer Energie), sich umschulen/weiterbilden zu lassen beziehungsweise umzuschulen etc.

Selbst wenn solche Maßnahmen zusätzliche Ausgaben bedeuten würden, was ja nicht sein muss, wenn man bei weniger wichtigen Projekten spart (apropos: wie wichtig war ein neues Punktesystem für Verkehrssünder?): Unser sozialer Frieden im Lande und in Europa muss eine ganz hohe Priorität haben, muss sogar wichtiger sein als eine schwarze Null. Nur dann sind wir alle für die Herausforderungen unserer Zeit gewappnet.

Weitere Informationen

Freitag, 30. September 2016

Lamento über den Umgang mit Kunden und Gedanken zur nachhaltigen Kommunikation

Nachgedacht über nachhaltige Kommunikation
Zurückgelehnt und nachgedacht über nachhaltige Kommunikation.

Alle Jahre wieder wird mit viel Marketing-Gedöns für neu gezüchtete Balkonblumensorten getrommelt. Vor ein paar Jahren verliebte ich mich in eine von diesen: Ihre Blüten waren gelbweiß gestreift und sie hieß 'Lemon Slice'! Ich kaufte sie und freute mich eine Saison lang an ihrer fruchtig-frischen Ausstrahlung auf meiner Terrasse. Doch als ich die gleiche Sorte zur nächsten Blumenpflanzsaison wieder kaufen wollte, fand ich keinen Anbieter mehr - offensichtlich war sie nicht mehr im Trend und aus den Sortimenten verschwunden. Ich fand es schade, dass in der Sommerblumenzüchtung offensichtlich nicht damit gerechnet wird, dass jemand bei einer Sorte bleiben oder zu ihr irgendwann zurück möchte. Vielleicht ist auch einfach kein Platz für die vielen Sorten der Vorjahre, weil jedes Jahr wieder unzählige neue auf den Markt kommen und sich jeder Züchter mit seinen neuen Sorten ins Gespräch und in Sortenprämierungen bringen muss. Ich finde es schade, aber habe es inzwischen verschmerzt, dass man mich nicht über nachhaltig gepflegte Sommerblumensortimente an sich binden will.

Sortimentsbereinigung ohne Rücksicht auf die Kunden

Anders geht es mir mit meinem neuen Smartphone: Kürzlich habe ich mir nämlich endlich ein Smartphone gekauft: Es heißt Lumia - schon der Name gefiel mir - und es ist ein Windows Phone. Dabei brauchte ich gar kein Smartphone - jedenfalls nicht zum Telefonieren, denn mein altes Handy tut es fürs Online-Banking und für die Notrufmöglichkeit beim Autofahren noch. Aber mit dem neuen Gerät kann ich meine Webseiten auf kleinem Bildschirm checken, kann in guter Qualität fotografieren, filmen, Audio aufnehmen, Nachrichten lesen, die sozialen Netzwerke einschließlich YouTube durchforsten, Notizen an mich selbst erstellen und auch Office-Dokumente anschauen - übrigens alles zuhause über mein WLAN, obwohl ich im Fall des Falles meine Handy-Simcard auch für das Smartphone nutzen kann. Mein Smartphone ist nicht nur schön und funktionell, sondern es war wirklich preiswert und seine Nutzung kostet mich auch kaum etwas! Alles war prima und ich hatte mich innerlich auf eine lang andauernde Freundschaft mit der Marke eingestellt, bis ich erfuhr, dass der Hersteller diese Marke einstellen wird. Da war meine Freude vorbei.

"Mit so etwas muss man rechnen", wurde mir gesagt. "Informations- und Telekommunikationstechniken verändern sich und Unternehmen müssen sich am Markt ausrichten." Trotzdem: Nicht nur meine Freude am Gerät ist seitdem getrübt, mein Vertrauen in den Hersteller der Marke, nämlich Microsoft, ist ebenfalls futsch.

Leider ist auch das ein Fall, auf den ich als Nutzer kaum Einfluss habe, außer dass ich nun regelmäßig auf der Facebook-Seite von Microsoft deswegen jammere. Aber ob die Verantwortlichen kapieren, wie viel sie kaputt machen, wenn sie alles rein wirtschaftsstrategisch entscheiden und die Gefühle der NutzerInnen, die vorher über die Marke aufgebaut wurden, ignorieren? Für mich ist diese Vorgehensweise jedenfalls ein Rezept, wie man das Vertrauen in die Herstellermarke gleich mit einer Produktmarke zusammen zerstört.

Social-Media-Trends

Schnelllebig geht es auch bei den sozialen Netzen zu. Kaum jemand erinnert sich noch an die VZ-Netzwerke, dabei waren sie mal der Hype im deutschsprachigen Raum – im Juli 2010 hatten sie noch 17 Millionen Mitglieder, die sich dort miteinander vernetzten, dann kam Facebook und die Nutzer liefen mit fliegenden Fahnen über. Im August 2012 hatten die VZ-Netzwerke dann nur noch 2,8 Millionen Mitglieder. Diese Vergänglichkeit von Trends sollte man als Kommunikations-Verantwortliche/r nie vergessen. Einen Social-Media-Kanal einzurichten und ein Netzwerk aufzubauen und lebendig zu halten, macht sehr viel Arbeit - und ganz plötzlich kann der Hype vorbei sein. Laut verschiedener Trendforscher befindet sich aktuell übrigens Facebook auf dem absteigenden Ast – die Jugendlichen und jungen Erwachsenen jedenfalls tummeln sich angeblich lieber beim „nächsten heißen Scheiß“, nämlich bei Snapchat***, und hoffen, dass ihnen die Eltern und Großeltern möglichst lange nicht dorthin folgen mögen.

Marken, Dienstleister und Unternehmen, die Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen möchten, müssen nun ebenfalls zum neuen Dienst wechseln und sich wieder auf eine neue Art des Vernetzens und der Kommunikation einstellen.

Wie kann eine nachhaltige Kommunikationsstrategie aussehen?

Zwar muss man seiner (angepeilten) Zielgruppe hinterherreisen, um im Austausch mit ihr zu bleiben oder sie für sich zu gewinnen. Aber andererseits sollte man sich nach Möglichkeit auch nicht zu abhängig von Dritten machen, denn die können für ihre Plattformen nicht nur ihre Spielregeln jederzeit verändern, sondern auch aus der Mode kommen oder sogar pleitegehen. Damit dann nicht aller Einsatz der vergangenen Jahre verloren ist, empfiehlt es sich, langfristig zu planen und von Anfang an die eigenen Webseiten, Blogs, Foren und so weiter zum Zentrum seines Kommunikationsuniversums zu machen, um das die Aktivitäten auf den Plattformen Dritter wie Satelliten kreisen. Außer man will tatsächlich nur einen aktuellen Trend reiten, bis er tot ist, um sich dann ein neues Pferd zu suchen. Ein Verhalten, das aber selten Kundenvertrauen schafft, außer man ist Trend-Berichterstatter.

*** Snapchat ist ein Sofortnachrichtendienst für Bildnachrichten, die sich nach vorgegebener Zeit selbst löschen. Snapchat gibt es derzeit nur als App für Mobile Endgeräte wie Smartphone und Tabletcomputer mit den Betriebssystemen Android (Google) und iOS (Apple).